ADHS bei Kindern: Wie man im Alltag gut damit umgeht
von belmedia Redaktion Allgemein Erziehung Familienleben Gesundheit Grosseltern Mütter News Väter
Unruhe, Impulsivität, Konzentrationsprobleme – Kinder mit ADHS stellen Eltern, Lehrer und Betreuende vor grosse Herausforderungen. Doch mit Verständnis, Struktur und gezielter Förderung kann das Familienleben gelingen.
Etwa fünf Prozent aller Kinder in der Schweiz sind von ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) betroffen. Die Symptome zeigen sich meist bereits im Vorschulalter. Doch wie lässt sich mit dieser Diagnose im Alltag umgehen – ohne in ständiger Erschöpfung oder Konflikten zu enden?
Was ist ADHS – und was nicht?
ADHS ist keine „Erfindung moderner Erziehung“ – sondern eine neurobiologische Störung mit klaren diagnostischen Kriterien. Sie betrifft die Steuerung von Aufmerksamkeit, Impulskontrolle und Aktivitätsniveau. Dabei unterscheidet man zwischen drei Haupttypen:
- Unaufmerksamer Typ: Träumerisch, vergesslich, schnell abgelenkt
- Hyperaktiv-impulsiver Typ: Zappelig, laut, risikofreudig, spricht dazwischen
- Kombinierter Typ: Sowohl unaufmerksam als auch hyperaktiv
Typische Merkmale
- Kurzfristige Konzentration, häufiges Themenwechseln
- Starke Gefühlsschwankungen, geringe Frustrationstoleranz
- Impulsives Verhalten: handeln ohne nachzudenken
- Probleme bei Regeln, Zeitgefühl und Alltagsstruktur
Diagnose: Wann wird ADHS festgestellt?
Nicht jedes wilde Kind hat ADHS – und nicht jedes stille Kind ist „normal“. Entscheidend ist die Dauer, Intensität und Konstanz der Auffälligkeiten – und ob sie in verschiedenen Lebensbereichen auftreten.
Diagnostik durch Fachpersonen
- In der Regel ab Schulalter sinnvoll – davor eher vorsichtig
- Erhebung durch Kinder- und Jugendpsychiater, Neuropsychologen oder spezialisierte Kinderärzte
- Fragebögen, Verhaltensbeobachtungen, Eltern- und Lehrerberichte
Abgrenzung zu anderen Ursachen
Symptome wie Unruhe, Aggression oder Rückzug können auch durch Traumata, Hochsensibilität, familiäre Belastungen oder Lernstörungen entstehen. Eine differenzierte Diagnostik ist deshalb unerlässlich.
Herausforderungen im Alltag meistern
Kinder mit ADHS brauchen nicht mehr Strafen – sondern mehr Struktur, Klarheit und Verständnis. Der Alltag kann gelingen, wenn Regeln und Routinen auf die Bedürfnisse des Kindes abgestimmt sind.
Erziehungstipps für zu Hause
- Struktur schaffen: Feste Abläufe, visuelle Tagespläne, Checklisten
- Kurz und konkret: Anweisungen einfach halten – besser einzeln als im Paket
- Lob statt Tadel: Positive Verstärkung wirkt besser als permanente Kritik
- Bewegung einplanen: Tägliche Outdoor-Zeit oder Bewegungsspiele helfen, Energie abzubauen
- Verlässliche Rituale: Schlafenszeiten, Mahlzeiten, Wochenstruktur
Typische Konflikte – und wie man sie entschärft
- Aufräumen: Kleine Schritte statt grosse Aufträge – z. B. „Jetzt nur die Legosteine.“
- Hausaufgaben: Kurze Einheiten mit Pausen und Belohnungssystemen
- Streiten: Nach dem Ausbruch ruhig bleiben – keine langen Diskussionen in der Eskalation
Unterstützung in Schule und Betreuung
ADHS ist nicht nur eine Herausforderung für die Familie, sondern auch für das Umfeld. Gute Zusammenarbeit zwischen Eltern, Lehrpersonen und Schulsozialarbeit ist entscheidend.
Massnahmen in der Schule
- Individuelle Förderpläne mit realistischen Zielen
- Klare Sitzordnung, wenig Ablenkung im Raum
- Kurze Aufgaben, strukturierte Übergänge
- Rückzugsorte für Überforderungssituationen
Kommunikation mit Lehrpersonen
- Regelmässiger Austausch über Beobachtungen und Fortschritte
- Transparenz bei Diagnosen, Medikamenten und Vereinbarungen
- Realistische Erwartungshaltung an Noten und Verhalten
Therapie und medikamentöse Behandlung
Die Behandlung von ADHS ist multimodal – also auf mehreren Ebenen. Medikamente können helfen, sind aber nicht zwingend. Entscheidend ist eine ganzheitliche Sicht.
Therapieformen
- Verhaltenstherapie: Strategien für Alltag, Selbstregulation und Impulskontrolle
- Elterncoaching: Tipps, Austausch, Unterstützung bei Erziehungsfragen
- Ergotherapie: Förderung von Feinmotorik, Konzentration und Körperwahrnehmung
- Gruppentherapie: Soziales Lernen in geschütztem Rahmen
Medikamente: Ja oder nein?
- Methylphenidat (z. B. Ritalin) kann helfen, ist aber kein Allheilmittel
- Wirkung individuell unterschiedlich – genaue Dosierung und Beobachtung notwendig
- Oft nur ein Teil der Lösung – sollte nie isoliert angewendet werden
Ressourcen stärken – das Kind als Ganzes sehen
ADHS-Kinder haben nicht nur Schwächen – sondern oft grosse Stärken: Kreativität, Spontaneität, Begeisterungsfähigkeit. Wer sie erkennt und fördert, stärkt das Selbstwertgefühl.
Stärkenorientierter Umgang
- Hobbys ernst nehmen – ob Sport, Musik oder Natur
- Erfolge sichtbar machen – z. B. „Erfolgstagebuch“ oder „Lob-Wand“
- Verantwortung übergeben – kleine Aufgaben im Alltag übernehmen lassen
Resilienz fördern
- Selbstwirksamkeit erleben lassen: „Ich kann etwas verändern“
- Soziale Fähigkeiten trainieren – z. B. mit Rollenspielen
- Rückhalt in der Familie – bedingungslose Zuwendung und Akzeptanz
Fazit: Geduld, Humor und Unterstützung
Ein Leben mit einem Kind mit ADHS ist fordernd – aber auch bereichernd. Wer sich informiert, Hilfe holt und offen bleibt, schafft einen tragfähigen Weg. Nicht Perfektion zählt – sondern Verbindung, Verlässlichkeit und Verständnis.
Quelle: elterntipps.ch-Redaktion
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